BMWi-Außenwirtschaftstage 2021: Gemeinsam mit der Wirtschaft technische Handelsbarrieren abbauen
Allgemein
Unter dem Motto „Germany Works. – Global agieren, vorwärts denken“ fanden die Außenwirtschaftstage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) in diesem Jahr erstmals digital statt. Sie boten Unternehmen die Möglichkeit, sich über internationale Märkte, Fokusbranchen und innovative Förderkonzepte auszutauschen. Das BMWi stellte dabei auch das Globalprojekt Qualitätsinfrastruktur am 19. April im Rahmen eines Online-Fachforums vor. Am Projekt beteiligte Expert*innen brachten ihre Perspektiven auf die Zusammenarbeit ein – von der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE (DKE), dem Zentralverband Elektrotechnik und Elektroindustrie (ZVEI), der Siemens AG, der Drägerwerk AG & Co KGaA und dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Über 90 Teilnehmer*innen verfolgten das Forum virtuell.
Das GPQI ist eine internationale Multi-Stakeholder-Initiative. Neben Behörden diskutieren Wirtschaftsverbände und Unternehmen sowie Fachorganisationen aus Deutschland und den Partnerländern miteinander. Somit kann die Wirtschaft ihre Anliegen und ihre Expertise jederzeit direkt in den bilateralen Dialog zwischen den beteiligten Regierungen einbringen. Stefan Schnorr, Leiter der Abteilung Digital- und Innovationspolitik im BMWi, betonte zu Beginn der Veranstaltung die herausragende Rolle der beteiligten Unternehmen für den Projekterfolg: „Sie sitzen dabei mit uns im Cockpit. Nur durch Ihr Engagement können unsere Dialoge zur Qualitätsinfrastruktur stattfinden. Ihre Anliegen und Ihre Expertise sind grundlegend für unsere Aktivitäten.“ So werden wirtschaftlich sinnvolle Ansätze für eine abgestimmte QI gemeinsam im Projekt erarbeitet.
Dr. Thomas Zielke und Gerhild Roth aus dem Referat Nationale und Internationale Normungs- und Standardisierungspolitik, Patentpolitik des Wirtschaftsministeriums führten das Publikum durch die Veranstaltung. Herr Dr. Zielke präsentierte die Arbeitsweise des Projekts und hob dessen außenwirtschaftliche Relevanz hervor: „Grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten erfordern einen globalen Blick. Das Globalprojekt Qualitätsinfrastruktur unseres Ministeriums ermöglicht es Deutschland, mit wichtigen Handelspartnern eine internationale Kooperation zur Qualitätsinfrastruktur einzugehen.“
Internationale Beispiele und Erfolge des Projekts
Anschließend startete das GPQI eine virtuelle Weltreise zu ausgewählten Kooperationen mit Brasilien, China, Indien und Mexiko. Das BMWi hat die GIZ mit der Umsetzung des Globalprojekts Qualitätsinfrastruktur in diesen Ländern – und seit 2021 auch in Indonesien beauftragt. Alle Beteiligten arbeiten daran, technische Handelshemmnisse abzubauen, Produktsicherheit zu stärken und Verbraucherschutz zu verbessern. Gemeinsam mit den Expert*innen aus der Wirtschaft stellten die GPQI-Länderteams vor, wie die Zusammenarbeit in den Partnerländern funktioniert und was sie zusammen bewegen konnten. Außerdem wurde am Beispiel der Normung die Bedeutung der internationalen Aktivitäten des BMWi beleuchtet.
Seit 1. Oktober 2020 ist die CCC-Zertifizierungspflicht für elektrische Produkte im Bereich Explosionsschutz („CCC Ex”) in China verbindlich. Viele Produkte deutscher Hersteller sind davon betroffen. Für die Hersteller bedeuten die neuen Regularien einen erheblichen Mehraufwand und zusätzliche Kosten. Auf Anfrage der Wirtschaft organisierte das GPQI kurzfristig einen direkten Austausch mit der chinesischen Zertifizierungs- und Akkreditierungsbehörde (Certification and Accreditation Administration of the People‘s Republic of China - CNCA) und erwirkte die Klärung der dringendsten Fragen. Weiterhin gestalteten das Projekt und ZVEI eine Reihe von virtuellen Seminaren für deutsche Unternehmen zu CCC und CCC Ex, um Transparenz und Regelkenntnis bei der Wirtschaft zu verbessern. Silke Sichter, ZVEI Senior Manager Innovationspolitik und China Affairs, berichtete im Interview über die Zusammenarbeit. Durch das Engagement verfügen Unternehmen nun über mehr Planungssicherheit, um die Konformität ihrer Produkte mit den neuen Anforderungen sicherzustellen.
In Indien wirkte die Wirtschaft über das Projekt entscheidend an der Übernahme der Normenreihe IEC 62443 zur Cybersicherheit in der Industrieautomatisierung durch die indische Normungsbehörde (Bureau of Indian Standards – BIS) mit. Die IEC 62443 stellt ein zentrales internationales Normenwerk für die Cybersicherheit dar und bildet die Grundlage für entsprechende Zertifizierungen. Matthias Gommel von der Siemens AG, Technical Regulation and Standardization, verdeutlichte den Nutzen dieser international harmonisierten Norm: „Cybersicherheit macht nicht an nationalen Grenzen halt. Gemeinsam mit den indischen Partnern hatten wir das Ziel, durch die Übernahme der IEC 62443 sichere Produktionsprozesse und den Handel über cyber-physische Systeme zwischen Deutschland und Indien – sowie auch weltweit – zu fördern. Das GPQI ermöglichte eine konstruktive und enge Zusammenarbeit mit zahlreichen Expert*innen und Stakeholdern.“ Nach der offiziellen Übernahme von IEC 62443 wurde im August 2020 gemeinsam mit BIS eine Online-Veranstaltung organisiert, um die Anwendung der Normenreihe in Indien zu unterstützen.
Matthias Marzinko von Drägerwerk teilte seine Erfahrungen aus der Zusammenarbeit in Brasilien. Hier unterliegt die Zulassung elektromedizinischer Geräte der Regulierung Portaria 54. Sie schreibt verbindliche Vorgaben für die Konformitätsbewertung dieser Geräte durch das nationale Institut für Messtechnik, Qualität und Technologie (Instituto Nacional de Metrologia, Qualidade e Tecnologia - Inmetro) fest. Dadurch wird derzeit der Marktzugang für Unternehmen erschwert. Nach intensiven Beratungen mit Inmetro und dem brasilianischen Wirtschaftsministerium wurde die Regulierung aktualisiert. Deutsche Hersteller waren maßgeblich daran beteiligt. Herr Marzinko betonte: „Der wichtigste Erfolgsfaktor des Projekts ist die durchgängige Umsetzung der Themen auf den unterschiedlichen Ebenen der Institutionen, Industrie und Politik. Für uns als KMU war zum einen die politische Flankierung aber auch der direkte Draht in die Länder zur Lösung technischer Herausforderungen wichtig. So konnten wir unsere Belange jederzeit sowohl aus Sicht unseres Unternehmens in Deutschland – aber auch direkt in Brasilien mit den GIZ-Ansprechpartner*innen und unseren Kollegen vor Ort diskutieren.“ Das Ergebnis: Die Regulierung soll nach einer Übergangszeit von sechs Monaten im Juni 2021 in Kraft treten. Sie spiegelt zentrale Forderungen der deutschen Hersteller wider.
In Mexiko bringt sich das Projekt unter anderem intensiv im Bereich Maschinensicherheit ein. „Für den globalen Marktzugang müssen unsere Unternehmen unterschiedliche technische Herausforderungen lösen. Der direkte Zugang zu relevanten staatlichen Stellen oder auch anderen betroffenen Unternehmen hilft hier enorm,“ erklärte Verbandsvertreter Hermann Wegner, VDMA-Referent für Maschinensicherheit, elektrische Sicherheit und Nicht-EU-Staaten. Deutsche Expert*innen engagierten sich über das Projekt maßgeblich für die Erarbeitung des neuen Entwurfs der technischen Regulierung NOM-004-STPS-1999. Sie bezieht sich auf die Arbeitssicherheit bei der Anwendung von Maschinen. Durch das GPQI arbeiteten die Expert*innen direkt mit dem mexikanischen Arbeitsministerium zusammen. Da die Regulierung seit 22 Jahren nicht überarbeitet wurde, basierte sie auf veralteten Definitionen. Eine Finalisierung und Verabschiedung der neuen NOM-004 wird bis Mai 2021 erwartet.
In Netzwerken erarbeitete Normen schaffen Vertrauen
Nach den Berichten aus den Ländern wurde die internationale Normung thematisiert. Dazu sprachen Gerhild Roth und Florian Spiteller, Bereichsleiter External Relations & Support der DKE: „Für uns geht es darum, ein belastbares Netzwerk aufzubauen – ein Netzwerk, in dem gegenseitiges Verständnis und Vertrauen vorhanden ist und durch das wir die deutschen Positionen frühzeitig mit anderen Ländern diskutieren können, aber auch deren Positionen kennenlernen. Damit stärken wir gemeinsam die internationale Normung.“ International entwickelte Normen sind für weltweit agierende Unternehmen sehr wichtig. Sie sind angereichert mit dem Wissen und der breiten Akzeptanz von Expert*innen. Dadurch reduzieren sie nichttarifäre Handelshemmnisse und erleichtern den weltweiten Handel. Das BMWi arbeitet eng mit den nationalen Normungsorganisationen zusammen und begleitet auch nationale Delegationen bei bilateralen Gesprächen mit internationalen Partnern, zum Beispiel auf ISO- und IEC-Ebene. Die Zusammenarbeit erstreckt sich über die zuvor genannten Länderkooperationen hinaus unter anderem ebenso auf die Eurasische Wirtschaftsunion, die USA oder auch Kanada.
Eine international harmonisierte Qualitätsinfrastruktur fördert eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung. Denn sie erleichtert Handel, stärkt Wettbewerb und fördert Innovation. Unternehmen und die QI-Fachinstitutionen wissen, wo konkrete Herausforderungen für die Harmonisierung der Qualitätsinfrastrukturen liegen und wie diese überwunden werden können.
Kontaktieren Sie uns, wenn auch Sie Marktzugangsbarrieren in Ihrem Zielmarkt erfahren und Ihre Bedarfe in die bilateralen QI-Dialoge einbringen wollen.